Dienstag, 11. August 2020

Das Problem mit den Kostenersparnissen

 Im Zuge der Corona-Pandemie geht unsere ökonomische Journalistik vielfach davon aus, nach dieser Krise werden vor allem Geschäftsreisen abnehmen, in Unternehmen und auch von Privatpersonen wird dies als ein Kostenersparnis begrüßt, wie ohnehin Kostenersparnisse immer begrüßt werden, denn Kosten sind schlecht - so die Betriebswirtschaft.

Dass die Kosten der einen die Einnahmen der anderen sind wird gerne verdrängt. In unserem Beispiel werden die sowieso von Corona gebeutelten Fluggesellschaften zusätzlich darunter leiden, dass nach der Krise zahlreiche, der besonders anspruchsvollen wie auch gewinnbringenden, Geschäftsreisenden verloren gehen, die Airlines werden sich also noch mehr auf die ebenfalls kriselnde Touristik versteifen müssen. Ebenfalls zu den großen Verlierern der Kostenersparnisse werden Kongress- und City-Hotels gehören, vor allem in weniger touristischen Gefilden abseits der Metropolen. Also die Hotels, die besonders von Geschäftsreisenden leben mangels touristischer Attraktion ihrer Umgebung.

Aber, aber, wird man jetzt sagen, die Kostenersparnisse führen ja nicht dazu das weniger Geld ausgegeben wird, sondern dass dies anders ausgegeben wird - nahe liegend wäre hier natürlich der große Krisengewinnler Zoom zu nennen, ein weiteres US-Amerikanisches Software Unternehmen welches nun statt Transport und Unterbringung zum Meeting, dieses einfach digital direkt durchführt ohne hierzulande irgendeine Form von analoger Infrastruktur anbieten zu müssen wie es City-Hotels und Fluggesellschaften zwangsläufig müssen - von Jobs in der Zahl ganz zu schweigen.

Neben erbärmlich niedrigeren Ausgaben für Videokonferenz-Software wird der größte Teil der Ersparnisse wohl kurz oder lang in den Gewinn gehen, bei börsennotierten Unternehmen in die Dividende - anstatt der Beschäftigten von Fluggesellschaften und Hotellerie profitieren also Besitzende und Finanzwirtschaft. Die Kosten dieser Ersparnisse werden periphere Hotellerie und die Fluggesellschaften tragen.



Sieben Jahre älter und vielleicht weiser

 Nach sieben Jahren verschlägt es mich zurück zum bloggen, viel ist seither passiert.

Die erneute GroKo erwies sich doch nicht so segensreich für die SPD wie ich 2013 erwartet habe.

Die Jusos erwiesen sich hingegen als notwendiger als der Nippel beim Mann, mit Kevin Kühnert an der Spitze versuchten sie die Fortsetzung der Großen Koalition zu verhindern, damals meinte ich aus demokratietheoretischen und auch parteilichen Gründen zu Recht - in Zeiten der Corona-Krise ist man allerdings doch froh, dass die SPD in der Regierung sitzt. 

Für den innerparteilichen Frieden ist die von Kühnert und den Jusos forcierte Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjahns meiner Erachtens entscheidend, war der Parteivorsitz lange vom eher rechten Parteiflügel besetzt, konnten sich die ewig maulenden Linken dank einer Urwahl in dieser Frage durchsetzen. Ich stimmte in der zweiten Wahlrunde ebenfalls für Esken und Borjahns, da sich die Unzufriedenheit der linken Parteihälfte dringend Bahn brechen musste, bei einem Sieg Scholz' wären die linken weiter unzufrieden gewesen ohne Verantwortung tragen zu müssen während der rechte Parteiflügel mal wieder als Buh-Mann herhalten müsste.

Neun Monate und milliardenschweren Hilfspaketen später, wurde gestern, am 10.08.2020, Olaf Scholz von Walter-Borjahns und Esken zum Kanzlerkandidaten nominiert, heute sicherte ihm Kühnert ebenfalls seine Unterstützung zu. Nun wird in der vielfach Presse geunkt, die Parteivorsitzenden wären doch viel zu links für so einen rechten Kandidaten, das würde nicht zusammen passen. Ich hingegen würde es für viel problematischer halten, wenn Vorsitz und Kanzlerkandidat der selben Parteiströmung angehörten. Einerseits sind für das Amt des Bundeskanzlers andere Qualitäten erforderlich als für die Parteiführung, andererseits kann die Partei mit einer repräsentativen Führung im Wahlkampf innerhalb der Partei besser mobilisieren.


Eine abschließende Bemerkung zum Titel des Bloggs "Wer Visionen hat sollte zum Arzt gehen":
Anno 2013 nutzte ich dieses Schmidt-Zitat als Seitenhieb gegenüber Jusos mit weitreichenden Visionen - sieben Jahren später habe ich meine damals eher angepasste Position korrigiert, Nicht-Konservative Parteien brauchen eine Vision von einer Gesellschaft, wie sie in Jahrzehnten leben soll. Insofern werde ich dieses Zitat selbstironisch weiter als Blog-Titel nutzen, bis mir etwas stimmigeres einfällt. 😊